Dienstag, 8. Januar 2019

Performanz im Kino 3: Gendering-Bullys in "Seed of Chucky" (Don Mancini, USA 2005)

Basiernd auf meiner Kritik zum Film in der Filmgazette:
Bemerkenswert ist der Diskurs des Films um Geschlechteridentitäten und Fortpflanzung bzw. Mutterschaft. Was der Vorgänger bereits vorbereitete, kommt hier in einer Titelfigur, die weder männlich noch weiblich ist, sich mal eher für das eine, dann wieder für das andere Geschlecht entscheidet, zu voller Ausprägung. Die „Geschlechtslosigkeit“ Glen/Glendas kann indessen nur als eine „Vorgeschlechtlichkeit“ gedacht werden. Ein Subjekt, das sich den normativen binären Geschlechterzuschreibungen entzieht, ist für das Über-Ich der Eltern, insbesondere des Vaters, nicht hinnehmbar, es muss sich entscheiden, „richtig“ gegendert werden.
Indessen hat der Versuch der Eltern, ihr Kind dem Gesetz der Geschlechterbinarität entsprechend zu gendern, auch Einfluss auf ihr eigenes (Geschlechterrollen-)Verhalten. Wo Tiffany sich, um ihrer Verantwortung als Mutter gerecht zu werden, in Abstinenz von der Sucht des Mordens versucht, dabei sogar die Hilfe des Zwölf-Schritte-Programms in Anspruch nimmt, da die Meetings, die Selbsthilfegruppensitzungen, für sie wohl eher nicht infrage kommen, in Buchform, da generiert sich Chucky als der Macho, der sich hemmungslos gehen lassen, seinen mörderischen Impulsen freien Lauf lassen kann und sich schließlich auch als verdammt besitzergreifendes Alpha-Männchen herausstellt: „Nobody leaves me!“
Schon durch die Konstruktion des Plots spiegelt sich in dem Puppenpaar das menschliche von Tilly und Redman. Sie findet nach einer Nacht mit ihm, an deren genauen Verlauf sich beide nicht erinnern können, heraus, dass sie schwanger ist. Er weist jede Schuld von sich mit dem Hinweis, dass er schon lange eine Vasektomie bei sich habe vornehmen lassen. Zu dem Gender Trouble gesellt sich auch der Ärger mit dem Sex, wobei das Wort eben eine bestimmte Tätigkeit beschreibt, aber auch bei Judith Butler für das „biologische“, das „körperliche“ Geschlecht steht, in Abgrenzung eben zu dem sozial konstruierten Geschlecht „Gender“. Übrigens geht diese Unterscheidung wohl tatsächlich auf Freud zurück. In einer langen Fußnote in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie schreibt er, dass das Wort Geschlecht, wie es gemeinhin verwendet werde, vieles zusammenschmeißt, was letztlich voneinander zu unterscheiden sei: nämlich das biologische, das, so nennt er es, soziologische Geschlecht, sowie eine Unterscheidung von Aktivität und Passivität im Hinblick auf das Sexualziel, die er aber ebenfalls nicht unbedingt klar männlich/weiblich codiert sieht. 
Es bewahrheitet sich für „Seed of Chucky“, gerade im Hinblick auf die eigentlich denkbar friedfertige Titelfigur, die sich dem ständigen Normierungsdruck durch sein Umfeld ziemlich hilflos ausgeliefert sieht, was Ivo Ritzer im Hinblick auf die Gialli Dario Argentos schrieb: „Der Schrecken liegt damit im Horror der Heteronormativität selbst.“ Nur am Ende reicht es ihr und sie zeigt den ganzen Gendering-Bullys mal, wo das Samuraischwert hängt. Eine denkbar schöne Katharsis finde ich.

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