Ich selbst wurde
genau 488 Jahre und eine Woche nachdem Kolumbus‘ drei Schiffe zum
ersten Mal in Richtung Westen in See stachen, um einen Seeweg nach
Indien zu finden, in eine gut situierte Familie in Berlin-Tempelhof
hineingeboren– und damit zugleich in den neokonservativen Backlash
der 1980er Jahre und das monokulturelle Umfeld, in dem ich aufwuchs:
deutsch, weiß, hetero, Cis. Meine frühen Prägungen allein dadurch
von Menschen umgeben zu sein, die in ziemlicher Ausschließlichkeit
diesen Kriterien entsprachen, haben Stimmen in mir hinterlassen, die
mir nur zum Beispiel sagen, dass mein Blick auf Menschen ohne meine
Privilegien, die ein anderes Geschlecht haben oder anderswo geboren
wurden, deren Haut dunkler ist als meine, ein anderer sein sollte als
auf „meinesgleichen“. Dazu kamen in einer patriarchalen Kultur –
zumindest in meinem Fall wohl nicht zuletzt in ihren popkulturellen
Ausprägungen – andere, die behaupteten, dass ich immer stark sein
müsse und nicht weinen dürfe und es etwas mit meiner Persönlichkeit
und ihrem Wert zu tun habe, mit wie vielen Frauen ich Sex habe und ob
diese normierten Vorstellungen von Schönheit entsprechen. Das
einzige, was sie alle dabei letztlich wollen, ist mich von mir und
meinen Mitmenschen zu entfremden und zu trennen, anstatt mir die
Möglichkeit zu geben, mich mit mir selbst und meinen Mitmenschen
verbunden zu fühlen.
Es ist bezeichnend
dass es gerade ein Festival wie das Pornfilmfest in Berlin und eine DVD-Edition sind, die Filme über die Dekolonisierung Afrikas versammelt, die die Perspektive der
oben genannten Regisseure auf eine Welt und ihre Zwänge, die – bei
allen persönlichen und biographischen Unterschieden natürlich –
der meinen entspricht, in vielerlei Hinsicht aufbrechen und neue und
andere Perspektiven schaffen und zulassen: Filme von Frauen, Filme
von Menschen aus Lateinamerika, Afrika und Asien, Filme von und über
Homosexuelle und Trans, Filme, die mich in vielfältiger Hinsicht mit
Menschen und ihren Sexualitäten konfrontieren, die nicht der
meinigen entsprechen. Wenn das Kino – auch als Ort des Austausches
und der Begegnung – immer schon davon lebte, dass es einen dazu
anhält – manchmal auch regelrecht dazu zwingt –, andere und neue
Perspektiven einzunehmen, könnte man das, was das Pornfilmfestival
(nicht nur) mir bietet, vielleicht auch mit dem Namen nennen, den
besagte DVD-Edition als Titel hat: „Spectres of Freedom“.
Teil 1, Teil 2
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