Der Film beginnt wie ein Schlag ins Gesicht. Genauer: er beginnt - nach dem Constantin-Logo, das mal wieder davon kündet, dass Filme wie dieser in der BRD des Jahres 1972 absoluter Mainstream waren - mit Schlägen ins Gesicht der Protagonistin Monika, deren Mann sie prügelt, aus der Wohnung schmeißt und die Treppe hinunter aus Eifersucht. Sie ist das Subjekt des Films, der - damals noch wesentlich außergewöhnlicher als heute - von einer Frau inszeniert und erdacht wurde. Sie wird es durch den Titel, durch das Voice-Over, in dem sie retrospektiv ihre Geschichte erzählt. Doch geht es in dem Film sicherlich nicht zuletzt darum, dass sie nicht nur das Subjekt der Sprache, sondern auch das eines sexuellen Begehrens werden möchte - und zwar eines dezidiert weiblichen. Und um die (mitunter sehr grausamen) Abenteuer, den es für sie in einer patriarchalen Gesellschaft bedeutet, sich diese Subjekt-Position zu erkämpfen.
In einer Disko lernt sie den Architekten Kai kennen. Sie ist noch Jungfrau. Wenig später haben sie den ersten Sex. Er kommt zu schnell. Das geht schon in Ordnung: "Denn wir haben ja noch unser ganzes Leben Zeit." Aber schnell muss sie feststellen, dass dieses Leben zu kurz ist, um darauf zu warten, dass ihr Ehemann (denn vier Monate später läuten bereits die Hochzeitsglocken) lernt sie sexuell zu befriedigen. Sie ist eifersüchtig darauf, dass ihn seine Zeitung und sein Frühstück offenbar mehr interessieren, als seiner Frau Lust zu bereiten. Bald beginnt sie zu onanieren. Als sie es ihm erzählt, ist er eifersüchtig auf ihren Finger, der seinen Schwanz ersetzen kann. Und dabei wohl bessere Dienste leistet, ein Begehren zu befriedigen, von dem er keine Ahnung hat. "Warum hast du mich denn dann überhaupt geheiratet?" Sie entdeckt dabei auch ihre Klitoris als sexuelles Organ, das nicht nur, wie Freud es annahm, ein reichlich klein geratener Penis ist. Immerhin war er selbstironisch genug, um ein ums andere mal zuzugeben, dass er von der Frau und ihrer Sexualität keine Ahnung hatte: man denke nur an seinen berüchtigten Ausspruch, der die Frau zum großen Rätsel und die Männer zu den rätselnden Subjekten erklärte. Mit der ironischen Reflexion der eigenen Position hat es Kai ebenso wenig wie mit der "Standhaftigkeit" im Bett.
Dadurch wird er auch immer eifersüchtiger auf die vielen anderen Männern, die einer attraktiven jungen Frau wie Monika in einer patriarchalen Gesellschaft immer und überall schmierige Avancen machen: der ältere Arzt, der Bauleiter auf der Baustelle, auf der Kai arbeitet, die Bauarbeiter (was für ein großartige Szene, in der sie sich die Männer, die ihre zurufen, dass sie mal ordentlich gebumst werden müsste, nackt vorstellt, einmal mehr vom Objekt zum Subjekt des Begehrens wird - oder zumindest: der sexuellen Neugier auf das Gegenüber). Aus dem Gefühl nicht zu genügen entsteht Aggression auf die, der er nicht genügt. Monika aber hat von dieser Dynamik bald endgültig die Schnauze voll: sie will Sex, guten Sex, befriedigenden Sex, viel Sex. Und holt ihn sich bald mit anderen Männern. Die Ehe dient nur noch zur Sublimierung: teuer Essen gehen, Achterbahn fahren, sich auf dem Rummelplatz Lebkuchenherzen schenken. Dazu seine Kosenamen für sie, die hier hauptsächlich von ihrer Entsexualisierung sprechen: "Kindchen", "Schmusekätzchen".
Der gemeinsame Urlaub, von dem sie sich in dieser Hinsicht viel verspricht, macht es auch nicht besser. Sie will es auf dem Sessel mit ihm treiben, auf ihm sitzend. Er findet: Sex gehört ins Bett und der Mann nach oben. Der Phallozentrismus kennt die Frau als Subjekt des Aktes nicht, darf es nicht zulassen, dass die Frau aktiv statt passiv ist, den Rhythmus nach ihren eigenen Bedürfnissen vorgibt, fickt anstatt gefickt zu werden. Wenn sie ihm einen bläst, klingelt das Telefon - und er möchte lieber rangehen, könnte ja der Chef sein. Also reitet sie, die nun mal ihre Leidenschaft fürs Reiten entdeckt hat, wie sie im Voice-Over nicht ohne Stolz verkündet, weiter andere Männer. Bis er schließlich explodiert. Womit sich der narrative Rahmen schließt. Die endgültige Auflösung, in der der ausgerechnet der Schmier(halb)Gott von Arzt zum Retter der geschundenen Frau wird, ist dann schon etwas sehr problematisch, aber am Ende dieses großartigen Films nur ein winziger Wermutstropfen. Versuchen wir positiv zu denken und wünschen den beiden viel guten Sex. Oder frei nach George Clinton: "Free your desire… and your ass will follow."
An dieser Stelle werde ich einige geisteswissenschaftliche Überlegungen über Freud und die Psychoanalyse niederschreiben. Teilweise werde ich dabei Facebook-Posts zum Thema, die ich vor allem in den letzten Monaten formulierte - in teilweise überarbeiteter - Form nach und nach eintragen.
Samstag, 5. Januar 2019
Die Ehe als Hort sexueller Frustration(en) in "Ich, das Abenteuer heute eine Frau zu sein" (Roswitha vom Bruck, BRD 1972)
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