Sonntag, 6. Januar 2019

Performanz im Kino 1: Eine Wahl, die keine ist, Gendering und Sex als Gewalt in den "Lone Wolf and Cub"-Filme


In der auf seinerzeit in Japan sehr populären Mangas basierenden "Okami"-Filmreihe geht es um den durch die Lande des Japans im frühen Zwanzigsten  Jahrhundert ziehenden Samurai Itto Okami und seinen Sohn Daigoro, den er in einem Wagen vor sich herschiebt, wobei sich der Vater mit dem Samuraischwert und dem Maschinengewehr durch ganze Heerscharen von Gegner*innen metzelt. Immer wieder werden dabei auch Geschlechterverhältnisse thematisiert. Das zeigt sich schon in einer Schlüsselszene aus dem ersten Teil: „Okami – Das Schwert der Rache“ (Kenji Misumi, 1972) (sie war das einzige, was mir aus „Shogun Assassin“ (1980), einem Zusammenschnitt aus den ersten zwei Filmen, der als solcher wohl nicht wirklich interessant ist, es für mich aber dadurch wird, dass sich die Rapper des Wu-Tang-Clan, Hip-Hop-Helden meiner 90er-Jugend, in ihren Alben exzessiv durch seine englische Synchronisation sampeln): Nach dem gewaltsamen Tod der Mutter zu Beginn, stellt der Vater das Baby vor eine lebensbestimmende Entscheidung: wählt es das Schwert, darf es mit ihm auf seinem Weg gehen. Wählt es aber den Ball, wird es der Mutter in den Tod folgen. Die Wahl zwischen dem Samuraischwert-Phallus, mit dem der Vater reihenweise andere Menschen (vorwiegend Männer) tot fickt, und dem den Mutterleib oder auch die weibliche Brust symbolisierenden Ball, der aber zugleich als Spielzeug für sich selbst steht, und damit der Entscheidung eine weiter grausame Facette gibt – Mann oder Kind? - wird dadurch auch als knallhartes gendering lesbar, als die erzwungene Wahl zwischen zwei Geschlechtern. Wobei auf eine Entscheidung, die nicht dem Biologismus folgt, der Tod steht.

Allerdings ist es dabei entscheidend, dass der Film das Über-Ich - gehen wir von der Freud'schen Konzeption der Psyche aus, wie sie Judith Butler in ihrem Kapitel Freud and the melancholia of gender in Gender Trouble auf überzeugende und wichtige Art übernimmt und weiterdenkt - hier nicht als eine durch Introjektion in den psychischen Apparat übernommenen Instanz denkt, sondern es als eine der äußeren Welt angehörende Figur verbildlicht. Was selbstverständlich wesentlich filmischer ist. 

Die dem Genrekino (und gewiss nicht nur dem japanischen) ja von jeher kaum fremde Verzahnung von Sex und Gewalt, bekommt hier durch die Konkretisierung des Schwerts als Penis (auch als etwas also, das einer biologistischen Logik nach schlicht zum Mann dazugehört) eine Komponente, die aufzuzeigen scheint, in wie weit beide in patriarchalen Vorstellungen von Männlichkeit immer schon zusammengehören. Wo es das große Verdienst der Filme ist, das in dieser Härte zu zeigen, bleiben sie besagtem Bild von Männlichkeit gegenüber dabei doch immer auf sehr zwiespältige Art ambivalent. Was sich auch in ihrem Blick auf Frauenkörper und die im (ebenfalls nicht nur japanischen) Genrekino manchmal sehr heikle Darstellung sexueller Gewalt ausdrückt. So bekommt es Itto gleich im zweiten Film, „Der unbesiegbare Samurai“ (Kenji Misumi, 1972) zwar auch mit einer Reihe von Schwertkämpferinnen zu tun – was man im Kontext der Reihe wohl gleichsetzen darf mit: Frauen mit Schwänzen. Deren Anführerin wird dann auch dadurch charakterisiert, dass sie der schon ihrem Klang nach zutiefst martialischen Sprache der Männer bemächtigt, einer Art hartem Bellen, mit dem sich Itto, die Chefs der verschiedenen Clans, die in der Reihe munter gegen einander intrigieren, und die Funktionäre des Shogunats verständigen und die großen Anteil am eigenwilligen Pathos der Filme hat.

Doch muss diese Transgression tradierter Geschlechterrollen hier schließlich immer bestraft werden. Sehr deutlich wird das etwa im vierten Teil, der zwar mit seinem Titel „Okami – die tätowierte Killerin“ (Buichi Saito, 1972) vorgibt, eine Frau ins Zentrum zu rücken, es dann aber doch auf recht eigenwillige Weise nicht tut, die Figur letztlich immer ziemlich stiefväterlich behandelt. Gleich zu Beginn bekommt sie ihre Tätowierungen in einer wunderbar sinnlichen Montagesequenz aus Überblenden, die ihren Körper zur Landschaft machen, zur Leinwand für den männliche Künstler, auf dem er sein Kunstwerk malen darf, indem eine phallische Nadel unter ihre Haut geht, in sie eindringt. Später dann in der Szene, in der sie den Mann, der sie zuvor vergewaltigte, stellen und erstechen darf, wird das sehr deutlich als penetrativer Akt gezeigt. Die Subversion der Geschlechterordnung muss dann jedoch sofort wieder korrigiert werden, indem es nun an Itto ist, sie mit dem Schwert zu töten, ein Akt, der in die Länge gezogen wird und dabei von einer sehr eigenwilligen Sinnlichkeit zeugt.

Eine Intimität jenseits der des phallischen Tötens und eines Sexes, der immer schon Gewalt ist, scheint es in den Filmen nur in der männlichen Vater-Kind-Beziehung zu geben, etwa in den sich in der Reihe wiederholenden Szenen, in denen die Beiden gemeinsam ein Bad nehmen. Gegen Ende des zweiten Teils jedoch gibt es eine sehr schöner Ausnahme von dieser Regel: In gewohnt poetischen und sehr exakt durch den Schnitt zusammengefügten Bildern wärmen sich die nackten Körper von Vater, Kind und einer fremden Frau an einander, sich gegenseitig vor dem Kältetod beschützend.


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